Effi Mora

Inneres Schwein. Liebenswert.

27.10.2016

Der Zufall wollte es, dass ich mich zur Zeit mit dem Phänomen «Inneres Schwein» beschäftige, besonders interessiert mich die Frage, ob das bei den meisten so’n harmloser deutscher Durchschnitt ist oder eben die «hässliche Wahrheit», wenn sich überall in der Wohnung big-apple-taugliche Architektur aus Pizzaschachteln entwickelt. Bis jetzt waren die Befragten größtenteils Männer, die verheiratet/in festen Partnerschaften sind und Kinder haben. Unterm Strich sieht es in dieser Gruppe offenbar etwa so aus:

wenn die Frau mit den Kindern für zehn Tage allein verreist, ist der erste Abend in der leeren Wohnung euphorisierend geil. Schon der bloße Gedanke daran, dass es heute keinen Broccoliauflauf mit Filinchen gibt, sondern eine Pizza Diavola mit extra Jalapeños, macht einen glücklich. Dazu trinkt man ein Bier und benutzt keinen Untersetzer.

 

Am zweiten und am dritten Tag ist es immer noch genau so gut. Am vierten Tag werden aus einem Bier…nun ja, mehrere, und man raucht in der Wohnung und ascht die Tastatur voll. Am fünften Tag versucht man Abwechslung rein zu bringen und bestellt chinesische Nudeln. Dazu trinkt man eine Tasse Jägermeister. Mit Tasse ist die Tasse gemeint, die irgendjemand mal als Gag mitgebracht hatte, weil 1,5 Liter rein passen.

 

So langsam wird es langweilig und man weiß nicht mehr, wie man noch mehr Hedonismus rein bringen soll. Burger und Döner hatte man nämlich auch schon. Man legt einen Entlastungstag ein. Kein Alkohol, kein Lieferservice. Man zerkocht 500 gr. Spaghetti, streut Gouda drüber und denkt: «na toll, die hätte ich auch bestellen können».

 

Am achten Tag will man gar nichts mehr, man könnte vor Langeweile in die Tischplatte beißen, vermisst seine Familie und den Trubel um sich herum. Da die Familie aber erst in zwei Tagen kommt und nicht in zwei Stunden, hat man noch keine Motivation, die Verwüstung zu beseitigen und dem Verwesungsgeruch unter der Spüle nachzugehen.

 

Nach der 27. Staffel «Simpsons» kann man schon fühlen, wie das Hirn immer flüssiger wird. Weshalb man am Tag Nr. 9 gleich nach dem Aufstehen joggen geht, nur um festzustellen, dass man röchelt wie ein 80-jähriger und nach 15 m Seitenstechen bekommt. Am Abend kocht man sich, voller Vorfreude, Broccoliauflauf und schnurpst dazu ein Filinchen.

 

Am Stichtag steht man um fünf auf, um unbemerkt die IKEA-Tasche mit den Pizzaschachteln zum Müllcontainer zu bringen, hat allerdings kein Glück, weil Frau Lindner aus dem Erdgeschoss immer um fünf aufsteht, um genüßlich und in Zeitlupe ihren Papiermüll zu zerschnipseln. Dann schwingt man ein bisschen den Wischmop und fällt völlig gerädert auf die Couch. Fünf Minuten später kommt die Familie nach Hause und hat eine riesige Pizza dabei, um dem verwahrlosten Vater eine Freude zu machen.

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