Effi Mora

Aus dem Tagebuch von Benedikt-Zachary Maria von Chuchle I

26.10.2014

Wertes Tagebuch,
ich denke immer seltener an die Verrückte. Angeblich ist sie immer noch in der Stadt und sucht Fleisch für mich aus. Seit August. Ich weiß nicht, für wen sie mich hier halten, aber sollte sie vor Weihnachten doch noch auftauchen und kein erstklassiges Lammfilet dabei haben, werde ich wohl meine Aufzeichnungen über ihren Krankheitsverlauf veröffentlichen.
Schlimm genug, dass sie selbst wahnsinnig geworden ist, so hat sie auch immer wieder behauptet, ich hätte eine «dependente Persönlichkeitsstörung». Zugegeben, sobald sie den Raum verließ, geriet ich in Panik und musste mich zur Beruhigung gegen Wände werfen, weil die Erinnerungen an meine von Verlust und Entbehrungen geprägte Kindheit wie eine Flutwelle von meinen ausgemergelten Körper Besitz ergriffen. Heute, da ich ein freier, wohl angesehener Gutsbesitzer bin und meine Pflichten vielfältig und voller Verantwortung für die mir zu Füßen gelegten Untertanen sind, ist es mir möglich, die Verrückte ganz objektiv und nüchtern zu betrachten. Sie hat keine Macht mehr über mich. Wenn sie zurück kommt…falls sie zurück kommt, werde ich an ihr vorbei gehen. Jawohl. Ich werde an ihr vorbei gehen, mit diesem besonderen Gesichtsausdruck, den ich täglich vor jeder verspiegelten Oberfläche in meinem Gemach und da draußen bei den Seen emsig einstudiere. Sie wird in Tränen ausbrechen und betteln. Aber sie wird mich nicht täuschen. Nicht noch einmal.
p.s. nur wie komme ich dann an meine Mozart-CD ran?

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