Es ist also dunkel und kalt und windig wie Sau, und alle normalen Menschen sind längst auf ihren beigefarbenen Käutschen in ihren cremefarbenen Wohnzimmern und ich hab aber einen Hund, der hin und wieder gern vorm Schlafengehen noch fix und routiniert Durchfall kriegt und deshalb lauf ich also kurz vor zwölf durch Nacht und Wind um den goldenen Reiter herum mit meinem Kind und singe meinen Schamanen-Song und haue kräftig auf den Gong und steck’ mir Federn in den Kopf und werfe Steine in den Topf (Hallo, Nicole! Hab mir heute dein-mein Gedicht wieder durchgelesen :) ). Es pfeift und scheppert, aber es hilft ja nix. Wir laufen und laufen und der Halbmond liegt aufm Rücken und ist gelb wie ein alter Käse. In meinem dummen Schädel ist es leider nie ruhig. Das heißt…doch, manchmal, wenn man mich zum Beispiel ins Wasser taucht (am besten mit dem Kopf zuerst). Es gibt nämlich Menschen, die man im wahrsten Sinne des Wortes aufweichen muss. Man braucht mich also nur in irgendeinen See zu stecken, Badewanne reicht manchmal auch, und sechs bis acht Stunden nicht raus zu lassen. Wenn ich dabei auch noch einen tannengrünen Berg angucken kann, geht’s sogar schneller. Danach bin ich richtig durchgeweicht und aufgeweicht und hab kaum irgendwelche Gedanken oder Kopfgequatsche, sondern starre vor mich hin wie ein Bär, der alle Himbeeren und den ganzen Honig gefressen hat und in dessen Gesicht rein gar nichts zu lesen ist, außer vielleicht «Boah, geil…». Aber wo nimmt man nachts um zwölf einen See oder eine Badewanne her? Nein danke, die Elbe ist keine Option, Ich hab den ganzen vergangenen Sommer mit den Füßen in der Elbe verbracht, während mein Hund im Trockenen neben mir her lief und meckerte: «Ey, ich hol dich da nicht raus, wenn dich die Strömung wegtreibt…musst du immer ins Wasser gehen? Das war ja mit dem Stausee schon so schlimm! Was hab ich mir da den Hals wund gebellt!». Und Badewanne…na ja, wie würde ich wohl selbst reagieren, wenn Eine mit Hund nachts bei mir klingelt und fragt, ob sie mal bei mir baden darf? Würde ich ihr wirklich meine Badeenten in die Hand drücken? Wohl kaum. Da muss ich also durch. Und während es im Kopf immer mehr und immer verwickelter wird, fällt mir ein, dass ich doch die Selbstregulation erfunden habe (habe ich natürlich nicht, aber ich tröste mich gern damit, dass ich irgendwelche Dinge, die gut funktionieren selbst erfunden habe. Kennt Jemand diese krasse Rote-Beete-Suppe? Ja, das war auch ich. Ist mir egal, dass es die bereits seit der Entdeckung der beta vulgaris oder der «Gemeinen Rübe» (haha, du bist auch so’ne gemeine Rübe!) gibt und dass schon irgendeine Australopithen-Braut sich, vom Zwiebelschneiden ganz verheult und mürbe, zu ihrem Mann umdrehte und sagte:»Nimm die Füße vom Tisch, ich hab dir einen Bortschtschtsch gekocht!». Ich mag lieber denken, dass ich den Borschtschtsch erfunden habe). Da ich also auch die Selbstregulation ̶f̶ü̶r̶ ̶B̶o̶r̶d̶e̶r̶l̶i̶n̶e̶-̶P̶a̶t̶i̶e̶n̶t̶e̶n̶ erfunden habe, fällt mir was ein. Es gibt ja diese ergiebige und manchmal sehr witzige Übung für Menschen, die an einer postdramatischen Altlastenstörung entweder leiden oder sich erfreuen (so wie ich). Ich weiss nicht mehr, wie die Übung offiziell heißt, aber es geht im Großen und Ganzen darum, aus Scheiße ein Pralinchen zu machen. Oder besser gesagt — aus der Energie eines aggressiven und/oder abartigen Täter-Anteils in sich was Hübsches oder zumindest Harmloses und gesellschaftlich verträgliches heraus zu sublimieren (der olle Freud rotiert im Grabe, I know, aber ich meine das nun wirklich nicht so genitalzentriert). Diese Übung ist ganz einfach: man muss so eine Art technisches Gerät oder Labor imaginieren, mit dessen Hilfe zum Bsp. der Ultra-Mega-Hyper-Hass, den man ja nicht immer im Schwitzkasten und unter der Fuchtel hat, durch chemische Reaktionen bzw. physische Prozesse umgewandelt wird und dann tröpfchenweise am anderen Ende des…ähm..Schlauchs als Nektar und Ambrosia, oder etwas weniger narzisstisches, etwa Milch mit Honig, rauskommt.
Apropos Narzissen (und Kakteen)…Bilde ich mir das nur ein oder ist es normal, dass narzisstische Menschen (im pathologischen Sinne) ein besonderes Interesse für Funktionalität, Geräte, Mechanismen und allerlei Technisches haben? Sie vergleichen sich selbst und andere gern mit, hm naja, Geräten und Mechanismen eben. Interessant…Ach du dicker Vater! Ich hab erst letzte Woche zu jemandem gesagt, dass mein Exfreund…ich trau mich gar nicht nochmal…»eine gute deutsche Qualitätsarbeit ist, ein seltenes, zuverlässiges Modell»…Hilfe! Aber, nein, Narzissmus passt in meinen Diagnosen-Strauss gar nicht mehr rein. Ich hab schon alles, was ich brauche bzw. alles, was dem ganzen Kackmist der ersten zwanzig Jahre endlich gerecht wird. Ich fühle mich jetzt verstanden, gesehen und entschädigt. Ach ja, und diese Übung jedenfalls ist echt super, wenn man beschlossen hat, sich seinen Mitmenschen nicht immer so zuzumuten oder wenn man endlich verstanden hat, dass Niemand einen einfach so, seiner blossen Existenz wegen akzeptieren und ertragen muss, sondern, dass dieses Sublimieren hin und wieder schon besser ist. Besser ist es. Ich hab vorhin meinen ganzen Wahnsinn durch eine rotierende Glocke und noch ein Paar andere, eher geheime, Teile laufen lassen und raus gekommen ist ein wutiger-wutiger Text über Manipulation, den ich aber heute Nacht auf niemanden loslasse. Weil, ja. Weil einfach nein.
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