Effi Mora

Die Chroniken des Chronischen. Kommunikation.

20.05.2019

Informationen, also.
Wer sagt denn, z. Bsp. dass Sprache, so wie wir sie kennen, ein geeignetes Mittel der Informationsübertragung ist? Eigentlich ist Sprache, so wie wir sie kennen, als Mittel der Informationsübertragung total unzuverlässig.

Du sagst: «Ich hätte gern eine Scheibe Zitrone in meiner Suppe bitte.» Weil du deine Suppe schon immer mit einer Scheibe Zitrone gegessen hast, seit du ein kleiner Junge mit Vitamin-C-Mangel warst.

Und dein Gegenüber hört: «Ich bin eine exzentrische Arschgeige mit Hang zum sinnlosen Provozieren (des Provozierens wegen) , und ihr sollt alle um mich herum tanzen, bis ich zufrieden bin.»

Und deshalb kriegst du als Antwort: «Nicht während meiner Dienstzeit, Kollege11!!! 1»
…..

Oder Steffen z. Bsp. Er sitzt den ganzen Tag auf dem Stuhl vor dem Dienstzimmer, welches als Aquarium aufgebaut ist, (der Transparenz wegen), und beobachtet die Schwestern und die Pfleger, wie sie hin und her schwimmen und sich den Mörser mit dem Pillenallerlei zuwerfen, was unter Wasser natürlich schwierig ist. Haben Sie schon mal versucht Mörserball unter Wasser zu spielen?
Steffen hat eine Reisetasche auf dem Schoß, die er fest umklammert, weil jederzeit die Tür aufgehen könnte, durch die seine Schwester rein kommt, und dann hört das ausgelassene Geplantsche im Dienstzimmer kurz auf, weil alle aufmerksam zuhören, wie Steffens Schwester sagt: «Ich nehme jetzt diesen meinen Bruder hier mit nach Hause. Weil er ein Zuhause hat. Und hier hat er sowieso nichts zu tun, also ist es völlig unklar, warum er hier ist.» Und dann streckt Steffen allen die Zunge raus, lässt sich von seiner Schwester an die Hand nehmen und geht nach Hause, wo seine eigenen Sachen sind. Seine eigene Bettwäsche, seine Tasse, sein Spielzeug und seine bequemen Pantoffelchen in der Größe 48.
Die Schwester kommt tatsächlich durch die Tür rein. Sie lässt einen großen Sack mit Wechselkleidung (der Hygiene wegen) am Eingang zum Aquarium und verschwindet schnell wieder, ohne Steffen anzusehen, geschweige denn zu berühren.
Sprache, so wie wir sie kennen, steht Steffen als Option nicht zu Verfügung. Aber offenbar beherrscht er die Laute eines riesigen, im violett-blauen Dschungel lebenden Tieres. Dieses Tier klingt wie eine Orgel, eine Feuerwehrsirene und ein Kleinkind, das gerade die schwere Bürde der Existenz mit voller Wucht ins Gesicht geschmettert bekommen hat.

Man möchte mit heulen. Schwester Yvonne winkt in seine Richtung und übersetzt voller Mitleid: «Er hat gedacht, er darf mit.»
Aber die Übersetzung hätte sie sich sparen können, das haben wir auch so alle verstanden.

Man braucht die Sprache nicht. Jeder Mensch, der uns entgegen läuft, pfeffert uns, ohne das wir es wollen, so um die drei Trilliarden Informationseinheiten pro Sekunde um die Ohren. Ob er männlich, weiblich oder das Andere ist, ob er gefährlich, harmlos oder kontextbedingt beides ist, ob er Hose, Rock, Schlüpper mit Pullover, Latzkleid, Bademantel oder Arbeitskleidung trägt, ob er nüchtern ist, ob er sich wohl fühlt, ob er brechen muss und dies gleich in unsere Richtung tut… Das alles halt. Dinge, die wir gar nicht wissen wollen, die aber nun mal automatisch von unserem Warnsystem gescannt werden (der eigenen körperlichen Unversehrtheit wegen). Deshalb sind Menschen, die mit «Gästen», «Kunden», «Klienten», «Patienten», «Besuchern» und anderen geballten Ansammlungen der Vertreter der Spezies arbeiten, so schnell kaputt.
Während, Menschen, die vorwiegend mit Bäumen arbeiten, nicht ganz so schnell kaputt gehen.

Bäume sind nicht so aufdringlich. Sie liefern höchstens drei Informationen, und das nicht pro Sekunde, sondern insgesamt drei. Hallo, ich bin ein Baum. Ich bin so was wie eine Buche oder vielleicht eine… ähm Linde? Eiche? Na irgend so was. Und ich tu dir nix, weil ich keine Daumen habe.

Sprache brauchen wir nicht zum Informationenaustauschen (des Informierens wegen), sondern zum Geschichtenerzählen (der Entropie wegen).

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