Effi Mora

Du bist doch Künstler, ich geb’ dir mal mein Urlaubsfoto, warte mal kurz.

06.08.2017

Kann nicht schweigen. Muss Senf abladen.
Meine Künstlerkollegin und Ex-Kommilitonin Sybel Foo ist gerade verständlicherweise genervt von blasiert-dämlich-auftrumpfenden Eingriffen in ihr künstlerisches Schaffen, nämlich von ähm Tipps, was sie wie zu malen/tun hätte. Eigentlich klar, dass Menschen, die noch einigermaßen bei Trost sind, so was nicht bringen. Dennoch scheint es so’n immanentes Ding der Spezies «Mensch» zu sein, dass der Kontakt auf Augenhöhe nur schwer zu ertragen ist. Früher oder später versucht der Eine dem Anderen unauffällig auf den Kopf zu klettern und von dort aus ein bisschen vor sich hin zu dominieren. Besonders lächerlich wirkt das, wenn demjenigen Dominierer keine Landeerlaubnis erteilt wurde, wenn es schlicht und einfach nicht sein Territorium ist, er aber trotzdem hartnäckig versucht, oben zu bleiben. Im Prinzip ist es immer eine Frage dessen, was man sich leisten kann.
Wenn man in eine Situation kommt, in der es nicht so eindeutig ist, wer sich was leisten kann, ist es manchmal hilfreich, sich zwei Fragen zu stellen:
«Bin ich in irgendeiner Art und Weise von diesem Menschen abhängig?» (emotional, finanziell, juristisch, sozial-psychiatrisch hehe)
und
«Lege ich Wert auf seine Meinung?» (eine Variation davon: «Will ich das jetzt einfach runterschlucken/überhören, weil ich ihn eh nie wieder sehe und gerade keine Lust hab, die harmonische Stimmung zu kippen?»)
Wenn man beide Fragen mit einem klaren «Nein» beantworten kann, muss man sich diesen blasierten Mist auch nicht anhören. Das Prinzip des «Sich-Leisten-Könnens» funktioniert bei Freundschaften und anderen engen Beziehungen nicht mehr so gut. In wichtigen Beziehungen ist man ja ungern so radikal.
Aber unsympathische Neurotiker, die sich aus welchen Gründen auch immer in Posen stellen, kann man ruhig drauf hinweisen, dass sie gerade im fremden Garten versuchen, hinters Gartenhäuschen zu pissen. Ich meine, wie kommt man denn überhaupt auf die Idee, sich in so eine Pose zu stellen, doch wohl nicht etwa, weil man sich selbst maßlos überschätzt? Also, ich finde, man sollte Menschen, die mit Grenzen Anderer so schlampig umgehen, nicht auch noch bestärken, indem man das über sich ergehen lässt.
Mit künstlerischen Tipps ist es natürlich so’ne Sache. Überhaupt irgendwelche Ratschläge an sich sind etwas, was nur selten auf Augenhöhe stattfindet. Da muss man erst recht schauen, wie das mit dem Territorium und der Landeerlaubnis eingehalten wird.
Man kann künstlerische Tipps geben, wenn man:
a) der direkte Auftraggeber, der für die Arbeit bezahlt, der Prof des jeweiligen Künstlers oder sonstige vom Künstler als auf diesem Gebiet qualifiziertere (mindestens genau so gut qualifizierte) Person anerkannt wird. (Bei Autodidakten — ebenfalls Auftraggeber, andere Künstler oder Freunde, auf deren Meinung man Wert legt).
b) vom Künstler selbst irgendeine Form von Anfrage kommt. (z. Bsp die Bewerbung an einer Kunsthochschule impliziert die Anfrage «Bring mir was bei, kritisiere/korrigiere mich, wenn’s sein muss». Der Studierende erkennt quasi automatisch die Hierarchie an (ob er dann während des Studiums ein bisschen dagegen rebelliert, ist völlig schnuppe, wird meistens eh weder von den Profs noch von den Kollegen ernst/wahrgenommen).
Allerdings gilt an der Hochschule meistens auch das ungeschriebene Gesetz, dass man größtenteils von seinen Kommilitonen lernt. Der Austausch ist hier sehr wichtig, vor allem auch, damit man in seiner ego-infantilen Ecke keine unbegründeten Hochbegabungfantasien herbei halluziniert. Und es ist ja auch interessant und wertvoll, mit anderen zusammen zu arbeiten.
Aber an dieser Stelle wird’s auch tricky. Wenn z. Bsp der Berthold/Justus/Hubertus hier ein bisschen gekokst hat und meine Mädchenschmierereien furchtbar findet, kann ich ja kurz innehalten und überlegen, wie viel Territorium ich ihm wirklich abgeben will. Kann ich ihn gerade ernst nehmen, hab ich womöglich sogar große Ehrfurcht vor seinem Talent und denke, dass er mir sogar in diesem agitierten Zustand brauchbare Tipps geben kann? Dann befindet er sich mit seiner Kritik bei sich zuhause.
Wenn ich ihn aber für einen dummen Pimmel mit Drogenproblem halte, dann kann ich ihm die Tür vor der Nase zuknallen, ohne irgendwas erklären zu müssen.
Es ist, glaub ich, tatsächlich so einfach. Derjenige, der auf fremdem Territorium versucht zu dominieren, braucht sich nicht zu wundern, wenn man ihn ziemlich aggressiv raus schmeißt. Die Höflicheren, die Stillen regeln das mit Distanz, die Lauteren/Aktiveren mit einem verbalen Schnipser auf die Stirn. Aber Aggression löst so jemand definitiv aus. Das ist Biologie.

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