Effi Mora

Eine furchtbar normale Kindheit

20.02.2016

Ich hab lange überleget, ob ich dieses Video posten soll. Es wird wohl im deutschsprachigen Raum noch nicht bekannt sein. Madina Mustafina ist eine junge kasachische Regisseurin, die eine obdachlose Familie (Vater, Mutter, 7-jährige Tochter) in Qaraghandy drei Wochen lang begleitet und gefilmt hat. Es ist ihr gelungen, die Darsteller dazu zu bringen, die ständig laufende Kamera zu vergessen (was bei…ähm… alkoholabhängigen Protagonisten manchmal geht) wobei sie selbst denkt, dass der Selbstmordversuch der Mutter eben durch die Anwesenheit der Kamera provoziert wurde (es sei nicht das einzige Mal gewesen und die Mutter habe auch bei anderen vermeintlich inszenierten Versuchen nie wirklich die Absicht gehabt, ihr Leben tatsächlich zu beenden). Schwieriges Thema. Auch die Bestrafung der Tochter vor laufender Kamera, ganz am Anfang des Kurzfilms, dürfte ziemlich verstörend und schockierend sein (oder eben vertraut, je nach dem). Milana, die Hauptfigur des Kurzfilms ist inzwischen in einer Kinderschutzeinrichtung aufgenommen worden. Ihre Eltern sind immer noch obdachlos.
Also warum ich dieses Video erst nicht posten wollte, dürfte somit klar sein. Aber ich finde es einfach immer wieder erstaunlich, wie normal eine solche oder ähnliche Kindheit ist, wenn man sich noch mittendrin befindet. Wie viel Liebe und Vertrauen für die Bezugspersonen bei einem Kind selbstverständlich da sind. Einfach so, weil das eben im Moment das normale Leben ist. Wie witzig man Dinge findet, die so was von gar nicht witzig sind… Der ganze intrusive Kackmist kommt ja erst Jahre/Jahrzehnte später, und das auch nur, wenn man endlich seine Ruhe hat. Vorher kann man sich das nämlich nicht leisten.

Also, mit Vorsicht zu «geniessen». Und leider ohne Untertitel.

 

P.S. die Kleine spricht erstaunlich korrekt, dafür, dass Alle anderen um sie herum nur Muh & Mäh machen bzw. hauptsächlich mit Hilfe der Schimpfwörter kommunizieren. (So, ich glaub, mir reicht’s für heute. Ich geh jetzt weiter den lebensbejahenden Stefan Zweig lesen)

 

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