Effi Mora

Generationssalat

05.01.2016

Da meine Eltern natürlich auch ganz normale menschliche Spezies sind und keine Exponate aus dem Landesmuseum für Heiligkeit, waren sie in ihren Rollen absolut unzumutbar. Es ist gewissermaßen der ewige Kreislauf der Sinnsuche, der mit irgendwelchem Mist anfängt, mit Überwindung und Hoffnung fortgesetzt wird und, so Gott will, damit endet, dass man zumindest ein bisschen zur Ruhe kommt und aufhört, sich mit seinem muffigen Innenleben zu beschäftigen, bevor der ganze Spaß von vorn losgeht. Alle Menschen müssen da durch. In irgendeiner Form. Und wisst ihr was? Es ist überhaupt nicht schlimm. Wenn man Kinder hat, braucht man sich eigentlich keine Mühe zu geben. Man wird es garantiert sowieso falsch machen. Die, die als Kinder ein Dauerabo für Prügelstrafen und ne Flatrate fürs Nackig-Ausgesperrt-Sein hatten, jammern genau so laut wie die, deren Mutti sie mal damit fürs Leben zeichnete, dass sie sagte: «Nein, du kriegst keinen Keks mehr.». Ob Scheidungskind oder Familienliebling — sie werden alle irgendwas finden, was es zu überwinden gilt. Der Mensch ist so konzipiert, dass er sich ständig langweilt, und Überwindung sorgt für Action. Es ist egal, wie man sich in seiner Elternrolle austobt. Na gut, ganz egal nicht, ein Appell an die Herren der Schöpfung an dieser Stelle: vielleicht seht ihr doch lieber von den regelmäßigen, prophylaktischen Exekutionen mit Hilfe eines Ledergürtels ab, besonders bei einem weiblichen Kind. Ihr ahnt ja nicht, welche Abgründe ihr damit öffnet. Weil, wenn sie dann im zarten Alter von zwölf Jahren, morgens um fünf nach Hause kommt, «…blood running down the inside of her legs…» — wie Nick Cave so schön gesungen hat, braucht ihr nicht mehr mit ‘nem Glas Milch in der Küche auf sie zu warten und die Hände überm Kopf zusammen zu schlagen «Was ist nur aus meinem kleinen Mädchen geworden?». Es hat sich dann bis dahin längst ausgemädchent. Ja…warum schreib ich eigentlich schon wieder so ein unglaublich optimistisches und lebensbejahendes Zeug? Ach so, weil es mich natürlich jetzt schon interessiert, womit ich meine noch nicht geborenen  ̶W̶e̶l̶p̶e̶n̶ Sprösslinge fertig mache. Womit gehen sie dann, 20-25 Jahre später, zu meinen Lieblingstherapeuten? Mit welchen ominösen Beschwerden? Wird es so was sein wie:» Wissen sie, ich kann nicht behaupten, dass sie sich gar keine Mühe gegeben hat, ganz im Gegenteil, sie hat wirklich viel versucht, aber es waren immer die falschen Dinge. Sie hat manchmal Ostern und Weihnachten verwechselt, statt Winterkleidung gab’s bei uns antike Taucherglocken und Jacken aus Hundewolle, und der Hund (der übrigens unsterblich ist) durfte und darf immer noch mit am Tisch sitzen und in unseren Betten schlafen und das obwohl er furzt, schnarcht und schmatzt. Alle haben uns ausgelacht, wir waren «die Familie mit der komischen Mutter». Es war schrecklich *schluuuuchz*»? Oder eher so was: «Ich glaube, dass mein inneres Chaos eine Art Rebellion gegen meine penible, kontrollsüchtige Mutter ist. Früher war sie selbst chaotisch, aber dann sind wir nach Kanada gezogen und sie fing an, alles zu sortieren, zu ordnen und jede unsere Bewegung zu protokollieren. Sie sagte immerzu, sie wolle nicht, dass sich die Scheiße wiederholt, aber sie erklärte nie, was sie meinte.»
Aber vielleicht werde ich sie dermaßen mit Hobbys und Möglichkeiten zukleistern, dass sie gar keine Zeit haben werden, mich so genau zu beobachten. Sie werden einfach ihr ganz normales, spannendes Leben führen, wissend, dass ich irgendwo dort im Nebenraum, unter irgendeinem staubigen Papierhaufen begraben aber theoretisch jederzeit verfügbar bin. Wenn etwas nämlich jederzeit verfügbar ist, entwickelt man keine Sehnsüchte und kann sich auf angenehmere und wirklich wichtige Sachen konzentrieren. Und das wäre in der Tat das beste Eltern-Kind-Szenario.

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