Effi Mora

Januar

17.01.2016

1:40 — genug geschlafen. Mal wieder zwischen den Welten aufgewacht und nicht gleich verstanden, welches Jahrhundert es ist. Mit den Augen bereits da, das Zimmer nach dem Hund abscannend, aber die Haare immer noch um die borstige Junkie-Faust meines Nachbars gewickelt, der mich Sekunden zuvor noch am Hinterkopf packte und quer durch die ganze SLUB schleuderte und schrie, es seien meinetwegen wieder Menschen umgekommen, weil ich nie («NIE, NIE, DU BLÖDE FOTZE, HÖRST DU?!») meine Chipkarte beim Rausgehen durchziehe. Nichts neues, es wurde mal wieder Person X von Person Y vertreten. Bei meinem fiesen Morpheus ist das üblich. Doch dann, doch dann…dann sah ich zum Fenster und verstand, was mich eigentlich geweckt hat — der Schnee. Ich kann jede einzelne Flocke hören. Es ist unendlich gut, ganz ohne Konservierungsstoffe. Einfach nur da sitzen und in den feinsten Sprühnebel starren, der trotz seiner Leichtigkeit so dicht ist, dass er völlig den Horizont verdeckt. Es ist unendlich gut. Und für einige Minuten ist es ganz still im Kopf.
Der Januar war nicht gerade arm an Erkenntnissen. Zum Beispiel, dass Kardiologen wirklich seltsame Menschen sind, sie machen irgendwas mit unseren Herzen. Sie tauchen ihr magisches Fernglas in blauen Schneckenschleim, pressen es an unser Gerippe und verstehen sofort, was los ist. «Na, Sie sind ja gescheit.» — sagte der Kardiologe. Und ich hatte keinen Grund, ihm nicht zu vertrauen. Schließlich wohne ich mit mir zusammen und kriege so einiges mit. Ich torkelte aus der Praxis und dachte über Monster nach, die gar keine Monster sind und über Hasen, die natürlich auch keine Hasen sind. Und darüber, dass die vermeintlichen Monster doch nur selbst entscheiden wollen, wie es in ihrem Vorgarten aussieht, und wie hoch der Zaun sein darf, und wen sie rein lassen und, dass sie es ziemlich schnell zwischen den Zeilen lesen, wie es um ihre Funktionalität in den Augen eines Hasen bestellt ist. Und darüber, dass die Hasen wiederum, aufgrund ihrer zum Kult ernannten Emo­ti­o­na­li­tät (Seht alle her! Ich hab Gefühle!) viel zu wenig Zeit haben, sich für andere Menschen wirklich zu interessieren. Und weil andere Menschen doch zu den Hasen immer so garstig sind und so dreist und andauernd Zäune bauen um ihre doofen, rampensäuischen Vorgärten, wo doch der Hase aber schon mindestens 4m x 5m Fläche mit seinem kuschligen Deckchen markiert hat. *Seufz* Ich bin seit ca. 6 Jahren an diesem Thema dran und finde einfach keine Antworten. Wahrscheinlich gibt’s keine. Sie sind wie sie sind. Der Schneegott hat sie so kreiert und wenn er nachts mit seinem weiten, langen Mantel durch die Hauptstraße geht und nachsieht, ob alle Hunde im Bett sind, kichert er bestimmt jedes Mal — «Hehe, das mit den Hasen und den Monstern ist in der Tat mein bester Witz.»
Was der Januar noch mitgebracht hat? Na ja. Das wissen wir alle. Gott steh dem Vereinigten Königreich bei! Lemmy, Bowie, Alan Rickman. Einer nach dem anderen, in einem Tempo, das man nicht mehr ernst nehmen konnte. Die Erkenntnis dabei ist, dass die ganzen coolen Jungs neuerdings nicht mehr mit 27 an Überdosen und Unfällen sterben, sondern an Krankheiten und zwar nicht mehr ganz so jung. Ich finde es nur logisch. Das geht unisono mit meiner langjährigen Vermutung, dass Kreativität und Exzesse nicht zwangsläufig Geschwister sind. Muss wirklich nicht sein. Natürlich stellt der liebe Wahnsinn viel Energie zu Verfügung und es ist immer ein Balancieren über dem Abgrund. Arbeitet man bewusst damit — gewinnt man, lässt man sich einfach treiben, stirbt man einen wirklich dummen Zufallstod. Ach…dazu habe ich viel zu viele Gedanken. Das ist wieder ein neues Thema.
Ich versuch’s noch einmal mit dem Schlafen.

 

 

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